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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 9.1874

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Die historische Ausstellung der Stadt Wien
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4816#0006

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8

Die historische Ausstellung der Stadt Wien. — Korrespondenz.

einige Fiugblätter, m denen der türkische Großvczier
mit beißendcm Spott über seincn mißlnngenen Angrisf
anf Wien überschüttet wird. Ans der Josefinischen
Epoche waren mehrcrc in Kupfer gcstochene Flugblätter
von Löschenkohl vorhanden. Die neucste Zeit re-
präsentirten Zampis und Ranftl mit ciner Suite
von Originalzeichnnngen, welche Figuren aus dcm Wiener
Volksleben darstellten.

Zu cincr vollständigen Entwickclung der „Trachten
und Modcn", mindcstcns seit dem t7. Jahrhundert,
fehlte cs an den nöthigen Vorarbcitcn. Das Gebotene
war allcrdings im hohen Grade intcressant, wcil sich
darunter Blätter von großer Seltenheit, wie ans Hol-
laro's„T'll6ntruin mnkiörunr" (1543), Abr. Bruin's
Trachtenbuch (1578) und aus Straub's „Trachtcn und
Stammbuch" (1000), fcrncr Kopien von kölorirten Zeich-
nnngcn aus dcm Wiener Bäckerbuche (17. Jahrhundert)
mit männlichen Trachten vorfanden. Jm Ganzen boten
sie doch keine fortlanfende Uebersicht. Erst eine Reihe
trcfflicher Stiche mit Wiener Volksfiguren aus dcm
Jahrc 1775 nach Zeichnungcn von Chr. Brand, welchc
ihres cigenartigen Kvstüms wcgen in diesc Abtheilung
aufgenommen wurden, gaben ein lebendiges Bild einer
bestimmten Epochc. Auch dic Wiener Modcn aus den
Jahrcn 1820—1840, gestochcn von I. Lanzedelli,
I. Stöbcr, Passini und Mahlknecht übtcn eine
nicht gcringc Anzichungskraft. — In der Abtheilung
„Bürgerwehr" waren vom kunstgeschichtlichen Standpunkte
aus 32 kolorirtc Lilhographicn aus dcm Jahre 1800
bemerkenswerth, weil diese die ersten Versuche dcr Litho-
graphic in Wicn rcpräsentirten.

Von der großen Anzahl Portraitcn waren die meisten
in Kupserstichen, Radirungen und Lithographien ausge-
stellt. Auf Oelgcmälde konnte man mit 9eücksicht auf
die bcschränkten Zräumlichkeiten nur in einzelncn Fällcn
Bedacht nehmcn. Die ältesten Kupfcrstiche gehörten dem
10. Jahrhundcrt an. Durch Oelgemäldc wareu ver-
treten die Portraits von Gluck, Jos. Haydn (v. La m p i),
L. v. Beethoven (v. I. Mählcr), Franz Grill-
parzer (v. I. Höfel), N. Lcnau (v. Aigner), F.
Raiinund (v. F. Schilcher), Fricdrich Hcbbel (v.
C. Rahl), Ernst Freiherr v. Feuchtersleben, L.
Davison, I. Rettich (v. Elise Modell), Freiherr
v. Hammer-Purgstall (v. Rosalie Ammon); dann
die Portraits von vier Wicner Bischöfen in Kopien nach
älteren Originalien und von vicr Wicner Bürgermeisteru
in Originalien. Daö Portrait des Komponisten F. S ch u-
bert war in einem Aquarell von W. Aug. Rieder und
einer Blcistiftzeichnung von M. v. Schwind, jenes
des Bürgcrmeisters Kofflcr in einem Pastellbilde, an-
geblich von Meytens, jenes der Schriftstellerin Ca- !
rolinc Pichler ebenfalls in einem Pastellbilde und das

Portrait des Malers Heinrich Fügcr in einer Bleistift-
zeichnung vou Schnorr v. Carolsfcld ausgcstellt.

Sphragistiker und Numismatikcr faudeu iu ven
Siegelabgüsscn, Münzen und Bkcdaillcu eine rciche Aus-
beute. Dcn Stand einiger Zweige des Wicner Kunst-
gewcrbes charakterisirteu die rcich in Holz gcschnitzten
Laden mehrcrer Zünfle aus dem 17. Jahrhundert,
vas Stadtrichterschwcrt mit prachtvollem, in Silber ge-
triebencm Griff aus dem 10. Jahrhuudert, zwci Holz-
büsten aus dem 10. Jahrhundert und niehrere Silber-
pokalc aus dem Ende des 17. und 18. Jahrhundcrts.
Auch die Tafeln der Baumeister und Stcinmetzcn mit
dcn Meisterzcichcn, welchc für dic Wicncr Kuustgeschichtc
nicht ohne Wichtigkcit sind, fehltcn nicht in der Aus-
stelluug.

Was dic Bethciligung an dem Untcrnehmen bc-
trifft, so intcrcssirten sich iu crsterer Zeit dafiir uur ciu
enger Kreis vvn Gebildeten und Fachmäunern. Erst
nach und nach gcwann ihm das größere Publikum Ge-
schmack ab uud strömte in den letztcn Wochen so zahl-
reich in dic Ausstelluug, daß alle Erwartungen übcr-
troffen wurden. ll. 8.

korrespoiidc»).

Hamburg, den 5. Oktober 1873.

Woran es liegen mag, daß in den lctztverflossenen
Monaten die Ausstellung dcs Kunstvereins sv schwach
und spärlich beschickt war, vermag ich nicht zu sagen;
genug, die Thatsache lag vor, und ich mußte mein Nefc-
rat ctwas länger aufschieben als gewöhntich, um es nicht
gar zu kümnierlich ausfallen zu lassen.

Genrebilder allcin schiencn bei dicscr allgemeinen
Ebbc nicht betheiligt zu scin; aber es verlohnt sich käum
dcr Mühe, mit der Bcschrcibung dcr ewigcu Bariatio-
nen über dicsclbcn uud immer diesclben Themata viele
Zeit zu vergeudcn. Nur Ein rccht glücklicher Wurf
dürfte zu verzeichncn sein, eiu im Ganzen nicht an-
spruchvolles, aber sorgfältig gemaltcs uud hübsch kvm-
ponirtcs Bild von Jessen in Hamburg. Er trifft mit
seinen „Hamburgcr Dienstmävchcu" schr glücklich dcn
Charaktcr diescr saubern und iu der That nicht reizlo-
sen Erscheinuugeu, welche allcn Fremden als cinc durch-
aus berechtigte Eigenthümlichkeit der altcn Hansestadt
augcnehm auffallcn (llor. 6urm. II, 4, 1).

Unglücklich (zum wie vielteu Male?) ist eine Illu-
stratiou zum Faust ausgefalleu. Ein Btephistophcles,
der sich nicht über dic landläufige Schauspielcrmaske
dieses Charakters crhcbt, cin unsäglich faver Faust, übri-
gcns ein hübscher Mann, und eine niedliche Schauspie-
lerin als Gretchcn verrathen einigermaßcn die Quelle,
aus dcr Junker in Frankfurt scinc Inspiration zu
dem „Kirchgang Grctchens" gcschöpft hat. Sogar die
Sccncric ist coulisscnartig nüchtern. Viel mehr Glück
 
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